Vor nun fast 100 Jahren hat Jenny Gertz diesen tollen Artikel veröffentlicht. Keiner kennt sie! Sie war eine der Pionierinnen des Kindertanzes und hat uns den Weg geebnet um heute diesen wunderschönen Beruf des Tanzpädagogen für Kinder auszuüben. Die Universitätsbibliothek Leipzig | Sondersammlung Tanzarchiv hat mir gestattet diesen schönen Artikel als Blogbeitrag zu veröffentlichen. Der Text wurde original übernommen und entspricht der Rechtschreibung der damaligen Zeit. Nun wünsche ich Dir viel Freude beim Lesen!

1926

Die Schönheit XXII Jahrgang Heft 2

TANZ UND KIND

von Jenny Gertz

“Tanzen, tanzen,“ riefen meine Grossen, als ich vor etwa 5 Jahren zu ihnen in die Klasse trat und sie fragte, was sie tun wollten. Und im Augenblick stürzte die ganze Gesellschaft die Treppe hinunter auf den staubigen Schulhof. Sie fingen an, Volkstänze zu tanzen – gegebene Form, hässlich, unerschöpflich nachgeahmt. Mit Entsetzten sah ich unschöne Bewegungen der damals zwölf – bis vierzehnjährigen Kanaren und Mädchen. In farbloser, schmutziger Kleidung, mit holz– und eisenbeschlagenen Schuhen war an freies Bewegen des Körpers natürlich nicht zu denken. Aber die eingesperrten Grosstadtkinder wollten und mussten sich bewegen, empfanden das Tanzen als etwas unendlich Befreiendes. Und so blieb es auch. Jede Woche wurde getanzt – getobt – bald aber auch versucht, etwas Schönheit hineinzubringen. Aber war das möglich mit solchen Körpern, mit Beinen die man nicht heben konnte, mit verkrampften Armen und Schultern? In anderen Stunden lernten wir die Schönheit des menschlichen Körpers kennen und draussen beim Baden sahen wir die grossen Mängel an unserem eigenen.
Die Mädchen verlangten nach rhythmischer Gymnastik. Wohl wollten sie ihren Körper schulen, aber die Hauptsache war doch das gefühlsmässige Sichwiegen und Drehen nach der Musik. Ich hatte einige Mensendieck–Kenntnisse und besuchte damals gerade die Falke–Kurse, übermittelte also den Kindern das, was ich wusste, konnte aber die Jungen nicht dazu bewegen, mitzutanzen.
Ihre frischere Art, ihr verlangen nach Austoben, kam bei derartig betriebener Gymnastik nicht zu ihrem Recht, sie verspotteten zunächst die Mädchen einmal wegen ihrer leichten Kleidung und dann wegen ihrer Knaben wesensfremden, gefühlsmässigen Einstellung. Aber als dann die Mädchen den Knaben zur Ueberraschung bei der Sonnenwendfeier den ersten musiklosen Tanz brachten, dämmerte in den Knaben doch etwas Verständnis für die körperbildende, schöpferische Seite unserer Arbeit, und sie verlangte für ihren Körper auch nach Gymnastik, aber ohne Musik.

Vom überbrachten Volkstanz lösten sich die Kinder allmählich. Die Mädchen trieben zwar noch ihre rhythmische Gymnastik, aber mit den Knaben erarbeiteten sie sich jetzt die “Tepptänze“, (Max–Tepp, Vier–Jahreszeiten), die zwar noch nicht ganz eigenschöpferisch waren, doch die durch die knappen Angaben von Max Tepp dem eigenen Schaffen der Kinder schon mehr Möglichkeit boten, und die ihnen damals Freude und Befriedigung brachten.

Da kam Rudolf von Laban nach Hamburg. Ich hatte sein Buch „Die Welt des Tänzers“ (Verlag Walter Seifert, Stuttgart,) gelesen und viel von ihm gehört. Mein sehnlichster Wunsch war, seine Schule besuchen zu dürfen, denn mir schien, als ob dort das war, was ich sowohl für meine pädagogischen Bestrebungen, als auch für mich selbst brauchte. Wir alle gingen zu den Aufführungen und waren begeistert, nicht restlos. manches Aeusserliche hatte uns enttäuscht, aber wir fühlten instinktiv : hier war etwas, was wir suchten, was wir brauchten, und die Rückwege gestalteten sich stets zu einem Tanz durch die Strassen. Jungen und Mädchen versuchten schon unterwegs, das nachzumachen, was sie gesehen hatten. Und nun gab es kein Halten mehr. Ich musste mich und uns anmelden, und jetzt waren die Jungen auch dabei – und sind es noch. Woher kam das? Die Gymnastik der Tanz wurden von einer ganz anderen Seite angepackt. Ich habe die Gymnastik bei Laban immer als etwas Lebensbejahendes, vollkommen Natürliches
empfunden, fern von jedem Gefühlsüberschwung, der einem in anderen Systemen oft begegnet, und was für die Erziehung des Kindes von ganz besonderer Bedeutung ist: das Schöpferische im Kinde wird geweckt und treibt so herrliche Blüten – – doch will ich nicht vorgreifen, ich will weitererzählen, wie sich alles bei uns gestaltete.

Jetzt also hatten Jungen und Mädchen gemeinsam Unterricht bei einem Lehrer der Volksbühne, da ich zunächst noch nicht wagte, mein neues Wissen an sie heranzutragen, denn ich fürchtete, ich könnte das mir so wunderbar Erscheinende falsch übermitteln. Aber bald wurde mir die Erlaubnis erteilt, meine Schar selbst zu unterrichten. Es war ein Weitteifern zwischen Jungen und Mädchen.Jetzt sahen wir erst, was an unseren Körpern fehlte. Verkrampfte Glieder lösten sich – ein Junge mit eingefallener Brust hatte mache einem halben Jahr einen schönen gewölbten Brustkorb. Es liessen sich noch unendlich viel Beispiele anführen, aber was für uns das Schönste war : mit der Lockerung und Verschönerung des Körpers wurden die schöpferischen Kräfte geweckt. Die Kinder trieben nicht nur Gymnastik, sie erfanden Gruppen– und Einzeltänze und überboten einander in schöpferischer Arbeit, besonders als wir im gemeinsamen Schaffen mit unserer inzwischen entstandenen Kindergruppe (Kinder im Alter von fünf bis dreizehn Jahren) uns das Märchenspiel erarbeiteten. Schon lange hatte ich mich mit der “Regentrude“ von Storm beschäftigt, um sie als ein rein tänzerisches Märchenspiel zu gestalten. Ich sprach mit meiner Schar davon und begeistert gingen gross und klein an die Arbeit. Es sollte die Ohnmacht der Blumen gegenüber der grossen Hitze (vertreten durch Feuermänner und Flammen) dargestellt werden. Auch der Mensch sucht vergebens gegen die überwältigte Macht der der Feuermänner zu kämpfen, bis es einer Jungfrau gelingt, die Regentrude zu erwecken, die durch endlose Regenschauer die Macht der Feuermänner bricht.

Da war Sonnabends ein Leben in der Turnhalle! Gross und klein, jeder war eifrig bemüht, etwas eigenes zu schaffen, sowohl im Einzel– wie im Gruppentanz. Dort sah man die kleinen Flammen sich nach den Takten der Trommel bewegen, hier übten die Blumen ihre Reigen. Dort wieder suchte ein Einzelner ein Tanzmotis zu gestalten, bis dann das Zusammenspiel beginnen konnte, indem jeder das zu leisten versuchte, was ihm möglich war. das gemeinsame Ringen um ein Ziel brachte sowohl persönlich Höchstleistungen, als auch freudige Unterordnung im Gruppentanz, und die Harmonie des Zusammenspiels liess jede Probe und vor allem jede Aufführung zu einem Feste werden.

Es war köstlich, zu beobachten, wie durch das freie Schaffen im Tanz sich noch vorhandenen Gebundenheiten bei einzelnen lösten. Bei einem zwölfjährigen Mädchen z.B. haben wir fast Wunder erlebt. Jede sie beengende Hemmung schwand, sie wurde ein ganzer Mensch, lebhafter, freier, und ist seitdem ein aufrichtiges, tiefdenkendes Glied der Gemeinschaft, während sie früher eins der oberflächlichsten und albernsten der Kindergruppe war. Kurzum überall regte sich die Schöpferlust, so dass nicht nur Einzeltänze, sondern sogar Gruppensachen von Grossen und Kleinen geschaffen wurden. Eines Sonnabends, als ich so recht abgespannt und kaputt von der vielen Arbeit war, sagte ich zu den kleinen Jungen, die die Flammen darstellten: “Wenn ihr noch einen Gruppentanz haben wollt, müsst ihr ihn euch selbst ausdenken“, und was geschah? Am nächsten Sonnabend kam ein zwölfjähriger zu mir und sagte: “Du, Jenny, wir haben uns etwas zu dreien ausgedacht. Sollen wir es mal vortanzen?“ Sie tanzten, und wir alle waren sprachlos über das, was sie geschaffen hatten und nahmen den Gruppentanz unverändert in unser Tanzspiel auf. Auch jede Blume– ob Schneeglöckchen, Stiefmütterchen oder Rose – jede brachte ihren Einzeltanz, den ich stets so aufnahm, wie er gebracht wurde. Das eigene Anfertigen der Kostüme bereitete ebenfalls viel Freude. Obgleich uns manchmal das Material fehlte, wurde doch aus alten Stoffen mancherlei Schönes zustande gebracht. Viele Stunden, sogar einmal eine ganze Nacht wurden für diese Arbeit von Grossen freudig geopfert. Und gross war der Jubel, als sich alle in ihren fertigen Kostümen bewegten. Da waren aus einfachsten Sachen durch Färben und Bemalen die wunderschönsten Gewänder entstanden, eins noch schöner als das andere, und jede Aufführung unseres Tanzspiels war ein Erleben sowohl für die Tanzenden wie für die Zuschauer.

Und unsere Arbeit geht weiter. War ich auch durch eine längere Krankheit verhindert, meine Schar so weiter zu bilden, wie ich wollte, so habe die Grossen die Kleinen unterrichtet, und ab und zu konnte ich vom Bett aus das Ganze dirigieren, so dass trotz aller Hindernisse die Grossen wie Kleinen Erstaunliches leisten.

Und jede Stunde meiner Kindergruppe ist für mich eine Quelle grösster Freude. Die Kinder mögen sie nicht missen, diese Stunden, nur durch strenges Verbot in Rücksicht auf unsere Gesundheit. kann ich sie fern halten von meinen anderen Kursen, sonst würden Jungen und Mädel .t ä g l i c h zum Tanzen kommen. Im Alter von fünf bis vierzehn Jahren kommen sie gestürmt, – schnell sind sie der Kleider entledigt, leider muss in der Turnhalle noch ein kleines Höschen ihren Kinderkörper verunzieren, aber draussen auf Fahrt sind wir ledig aller Kleider, uns selig sagen sie dann: “Nun kannst du unsere Muskeln viel besser sehen und sagen, was wir falsch machen.“ Zunächst lockern wir unsre Glieder – wie verkrampft sind doch schon die Kinder! Dann werden einzelne Muskeln besonders vorgenommen und je nach Bedarf Schultern, Wirbelsäule usw. korrigiert. Fast jede Uebung wird zum Spiel, so dass den Kindern die regelmässige Gymnastik sogar Freude macht. Beckenkreise, Schulterkreise, Kniebeugen usw. machen selbst fünfjährige mit grosser Begeisterung mit. Es ist ein nie enden–wollender Jubel in jeder Stunde, besonders aber, wenn es ans eigene Schaffen geht. Und wie unendlich viele .Mittel gibt es da – auch ohne Klavier – aus den Kinder die Bewegung herauszulocken, und sie zum eigenen Schaffen zu bringen. Die Fünfjährigen finden kein Ende im Zeigen dessen, was sie sich ausgedacht haben an Schritten und Tänzen und in der Nachahmung von Tieren. Ueberhaupt sehr lustig ist unsre “Zoologischer Garten“. jedes Kind ist ein Tier und bewegt nicht nur Arme und Beine, sondern den ganzen Körper und lebt förmlich in seiner jeweiligen Rolle. Wie fein beobachten die Kinder! Was für köstliche Tiere bringen sie hervor, aber nur Vierfüssler! Erst einmal habe ich erlebt, dass ein Kind, und zwar ein neunjähriger Junge, einen Vogel nachahmte, einen Geier, der allerdings so fabelhaft im Ausdruck war, dass wir Zuschauenden alle staunten. Sonst werden Vögel nur auf meine Anregung gebracht. Die kleinen fünf–und sechsjährigen fliegen schon eher lustig piepend und pfeifend als Vögel umher, aber den acht– bis vierzehnjährigen macht die Darstellung der Flügel und das Fortbewegen als Vogel oft arge Kopfzerbrechen. Auch hier haben mir die Mädel ihrer Eigenart entsprechend eines Tages etwas Neues gebracht: “Wir wollen heute nicht Zoo, wir wollen Botanischer Garten spielt und Blumen sein.“

So ist uns die Natur mit ihrer bunten Fülle von Erscheinungen in jeder Hinsicht Lehrmeisterin, so dass wir in unserem neuesten Spiel Schneeflocken, Sonnenstrahlen, Wind, Blumen, Käfer, Frühling, kurz alles haben, was Kinderfantasie sich vorzustellen vermag. Alles wird uns im Tanz lebendig,und mancher Junge, der im Anfang zu den Mädeln höhnisch sagte:“Aber Blumen bewegen sich doch nicht“, bewegt sich jetzt aus eigenem Antrieb Heras als Sonennblume. Regentropfen, Wind usw. Und wie herrlich ist es, wenn wir in der Turnhalle oder einem Saal uns vorstellen, wir sind auf einer grossen Wiese, freuen uns über die Sonne, pflücken Blumen, spielen mit Käfern, schiessen Purzelbäume, und trudeln den Abhang hinunter. jeder hat gezeigt, wie er Blumen pflückt, und Hermann trudelt noch immer an der Erde herum. “Aber Hermann, was machst du denn da?“ Er hält erstaunt inne und sagt: Ach, ich habe wirklich geglaubt ich bin nun auf einer Wiese und bin immer weiter getrudelt.

Ein anderes: Alle Kinder sitzen im Kreis auf der Erde. Eins hat die Trommel und trommelt, ein anderes springt plötzlich in den Kreis und tanzt, wieder ein anderes kommt dazu, hier und da zuckt`s auch in den Sitzenden, sie tanzen an der Erde, bis schliesslich die ganze Gesellschaft sich chaotisch durcheinander nach den Trommelschlägen bewegt. Oder aber – das mögen sie besonders gern – sie bilden einen grossen Kreis und auf mein Zeichen tanzen sie los, ohne jedes Geräusch, jeder seinem eigenen Rhythmus folgend, zwei finden sich, dort drei, dort wider andere, das Chaos löst sich auf zu einzelnen Gruppen, die untereinander spielen und wider auf mein Zeichen in ihren augenblicklichen Stellungen bleibend und dann umschauend sich freuen über das entstandene Gesamtbild. Auch spielen sie gern als Gruppen miteinander. Bildet sich im Einzeltanz die Individualität heraus, so lernen sie sich unterordnen unter ein Ganzes im Gruppentanz und wissen genau, wenn auch nur einer versagt, ist das Ganze hinfällig. Sogar Stellungen, eng, weit, sitzend, liegend, stehend usw. habe ich schon mit viel erfolg mit ganz Kleinen probiert. Mit unserer Kindergruppe treibe ich sogar schon etwas Choreographie und ein nicht endenwollender Jubel wars, als sie den ihnen längst bekannten Aufschwung in Fünfer–und Sechser–Schwung zerlegen konnten.
Es ist immer wieder erstaunlich, was die Kinder schon an Einzelleistungen bringen. “Jenny, gestern Abend in den Sternschanzen–Anlagen haben Herbert und ich uns einen Tanz ausgedacht, aber da kamen Leute hinter uns her , die haben geglaubt, wir sind verrückt, und so ist er noch nicht ganz fertig.“ Aber fein war er, und was meine grossen Jungen in dem Alter noch nicht fertig brachten, das bringen die Kleinen jetzt dank der natürlichen Bewegungslehre, wie sie mir von Rudolf von Laban erschlossen wurde. Durch ihre kraftvollen, frischen Tänze sind unsere kleinen Jungen den kleinen Mädchen fast überlegen. Und ich bin sehr gespannt, wie sich alle weiterentwickeln werden. In diesem Jahr verlangten sogar Grosse wie Kleine, Jungen und Mädel nach Tanzen mit Musik. Die Klavierspielerin spielt, und jeder, der sich berufen fühlt, beginnt zu tanzen. Was uns gefällt wird festgehalten und ausgebaut. Auf diese Weise erarbeiteten sie sich ganz reizvolle Grotesken.

Den Höhepunkt unsres Schaffens aber bildet in jüngster Zeit der “Frühlingseinzug“, ein neues Tanzspiel, das seit Wochen Grosse und Kleine in emsiger Arbeit beisammen findet. Diesmal habe ich auch Kinder aus einer anderen Gruppe zu unseren Kindern genommen, und wieder konnte ich beobachten wie viel lebendiger die Kinder bei der Arbeit mit meinen wurden, wie sie beim Schaffen des Spiels aus sich herauskamen und sich mit Riesenschritten entwickelten. Sie wollen nicht wider zurück in ihre alte Gruppen, sie wollen bei uns bleiben und mitarbeiten an neuen Spielen. der langweilige verträumte Hans ist als Schneeflocke schon etwas lebhafter geworden und bekommt als Maikäfer sogar schon Ausdruck in seine Hände und während der Pausen steht sein Mund nicht mehr still, und ergötzt uns mit seinem trockenen Humor. Ein Jahr Gymnastik erreicht nicht, was eine Aufführung bringt. Eva versucht ihre Knie zu straffen und ihr kleinen Gesäss nicht in alle Winde zu strecken, sie weiss, dass sie sonst das ganze Bild stört und arbeitet noch jeden Abend, obgleich erst neunjährig, freiwillig, um ihremKörper die nötige Form zu geben. Noch viele, viele Beispiele liessen sich aufführen:sobald Kinder wissen, wozu etwas notwendig ist, sind sie noch mehr dabei als vorher. Und wie gern führen sie alle auf. Wie selig sind sie alle, wenn es heisst, das probieren wir mal auf der Bühne. Freude bringen wollen sie auch und zeigen, was sie können. Die Sorge mancher, dass Kinder durch das Bühnenspiel eingebildet werden, ist nach meiner Erfahrung hinfällig. Nicht das Bühnenspiel macht sie eingebildet, sondern Eltern, Tanten und Onkel. Wie oft haben wir in dieser Hinsicht den schlechten Einfluss der Verwandten erlebt. In der Gruppe korrigieren sich die Kinder von selbst: “Gretel. Du bist viel zu eingebildet, deshalb ist Dein Tanz nicht schön“. und ähnliches hört man oft genug, sie dulden niemand, der sich unnatürlich bewegt. Auch spüre ich den Unterschied gar deutlich zwischen den Kindern meiner Gruppe, die ich ausserhalb der Tanzstunde noch erziehe und die alle freiwillig kommen, und den Kindern, die von den Eltern geschickt werden gegen ihre innere Ueberzeugung. Aber auch diesen Kindern bringen wir allmählich Freude und befreien sie hoffentlich von allen Hemmungen. Für mich ist Gymnastik und Tanz eine unerschöpfliche Quelle der Gesundung für unsere gesamte Jugend. Er stähle nicht nur den Körper, macht ihn elastisch und schön, er ist der Grosstadtjugend eine unbedingt notwendige Hilfe zur Befreiung von allem Schwülen der sexuellen Nöte, eine Gelegenheit, sich auszutoben und zugleich die reichen Kräfte des Innern umzuformen im eigen geschaffenen Werke. Knaben und Mädchen ergänzen sich und lernen einer vom andern, arbeiten in gemeinsamer Unterordnung im Gruppentanz an einem Ziel, und jeder weiss, wenn er versagt, ob Junge oder Mädel, ob Klein ob Gross, fällt das ganze zusammen und jede noch so grosse Anstrengung der andern kann das Versagen eines Einzelnen nicht wieder wett –machen. So ist jede gezwungen, sich immer voll und ganz einzusetzen. Da wir bei Aufführungen anderen Freude bringen wollen und ausserdem entweder von dem Erlös Arme unter uns einkleiden oder aber ihnen Sommererholung ermöglichen, so wissen sie, dass ihre Arbeit Dienst im andern und helfen mit desto grösstem Eifer.“¹

Wenn Du mehr über Jenny Gertz erfahren möchtest, dann hüpfe hier rüber zum Videokurs:

Pionierinnen des Kindertanzes – Jenny Gertz

 


Quellenangaben

¹© Universitätsbibliothek Leipzig | Sondersammlung Tanzarchiv – Nachlass Jenny Gertz – Artikel TANZ UND KIND Originaltext maschinengeschrieben zu finden unter: tal_nl_gertz_1_1_5_6_ordner-2_nr55_001.tif | tal_nl_gertz_1_1_5_6_ordner-2_nr55_002.tif | tal_nl_gertz_1_1_5_6_ordner-2_nr56_002.tif | tal_nl_gertz_1_1_5_6_ordner-2_nr56_001.tif | tal_nl_gertz_1_1_5_6_ordner-2_nr57_001.tif

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Riedel, Andrea am 25. September 2017 um 11:45

    Schön und interessant über Kindertanz aus einer anderen Zeit, also schon sehr lange her, zu lesen. Toll!



    • Veröffentlicht von Stefi Schmid am 25. September 2017 um 21:14

      Liebe Andrea,
      ich danke Dir ganz herzlich und freue mich, dass ich Dir eine Freude machen konnte!



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