Ein Tropfen im Ozean
– oder warum für ein zu niedriges Honorar zu arbeiten den gesellschaftlichen Glaubenssatz nährt, dass die Kultur, Kunst und Bildung vermeintlich NICHTS wert ist

”Wir sind nicht nur für das verantwortlich, was wir tun,

sondern auch für das was wir widerspruchslos hinnehmen.“

Arthur Schopenhauer

 

Diese Worte von Schopenhauer gehen tief und haben mit dem heutigen Blogartikel eine Menge zu tun. Bevor ich thematisch tiefer einsteige, möchte ich Dich zu einer kleinen Geschichte einladen, die sich dieses Jahr ereignet hat.

 

 

Ich bin 2021 an den Bodensee gezogen und mir war glasklar, dass ich nach meinem Umzug an den Bodensee mir nach der Pandemie hier alles neu aufbauen darf. Ich las in einer kleinen Zeitung, dass eine große Bildungseinrichtung Menschen sucht für kulturelle Bildungsangebote für Kinder, wie zum Beispiel: wie Tanz, Musik, Malen… .

Weil mich dieses Angebot auf so vielfältigen Wegen erreicht hat, dachte ich da rufe ich mal an… kurzerhand düste ich mit meiner kleinen weißen Vespa dort vorbei.

Ich betrat beschwingt den Raum und fand vor mir einen älteren Mann, der mich freundlich begrüßte. Wir plauderten über dies und das und beschnupperten uns ein wenig und er erzählte mir ein wenig von dem Angebot… irgendwann, dachte ich jetzt aber Butter bei die Fische und ich sagte: ”Das klingt alles sehr spannend… lassen sie uns doch mal über die Honorare sprechen für die Dozenten.“

Er antwortete: ”41,- € Brutto für 90 Minuten“

”Okay“, sagte ich, ”dafür kann ich als Freiberuflerin NICHT unterrichten“.

Stille. Er schaute mich durchdringend an und sagte: ”Frau Schmid, sie sind ja neu hier und wenn sie sich hier etwas aufbauen wollen ist ein Stück trocken Brot besser, als NICHTS zu essen.“

Puh, mir lief es kalt den Rücken runter! Spannend, dachte ich,  hier wird ein beispielhaftes Spiel gespielt zum Thema Macht und Ohnmacht. Ich kenne dieses Spiel sehr gut und bin mittlerweile eine Meisterin die übt, darin geworden.

Ich schaute ihn an und sagte: ”Das mag schon sein, dass ein Stück trocken Brot vermeintlich besser ist, als NICHTS zu essen, jedoch ist das KEIN Honorar das ich als WERTvoll erachte. Ich würde Ihnen das einmal kurz berechnen. Ich

  • unterrichte 90 Minuten
  • habe dafür ca. 1 Stunde Vorbereitungszeit
  • bin jeweils in diesem Setting 15 davor da
  • und bleibe anschließend noch 15 Minuten danach da
  • meine Fahrtzeit habe ich da mal noch NICHT eingerechnet

Das wären circa 3 Stunden… das wäre ein Stundensatz Brutto: 13,66€ – und dafür kann ich als Freiberuflerin Brutto NICHT arbeiten.”

Er schaut mich an und sagt: ”Wenn sie sich vorbereiten müssen, dann können sie ihr Handwerk NICHT.“

Ich guckte ein wenig verdutzt und dachte so ahhhhhh spannend nun wird das Spiel Macht und Ohnmacht weiter gespielt.

Ich sagte sehr ruhig: ”Jede Gruppe, jedes Niveau und jedes Setting in dem ich unterrichte ist anders und in meiner Perspektive von Welt bereite ich mich darauf vor gerade weil ich mein Handwerk beherrsche, denn dies tut jeder engagierte und gute Lehrer.“

Nein, wir sind hier mit der Geschichte noch nicht fertig, denn es kommt gleich der Höhepunkt. Er sagte: ”Frau Schmid, kommen sie einfach, es ist egal was sie da machen! Hauptsache es ist jemand da.“

Puh… da habe ich mir natürlich ein paar ernsthafte Gedanken über die Bildungslandschaft gemacht, wenn die einzigste Kompetenz die man besitzen muss ist: Einfach nur anwesend zu sein! Traurig, traurig, dachte ich und im gleichen Atemzug erklären mir diese Menschen dann auch noch, dass Kinder unsere Zukunft sind… doch das ist ein anderes Thema!

Kommen wir zurück zu der kuriosen Honorarvorstellung! Was hier passiert ist ein Spiel mit dem Thema: Macht und Ohnmacht oder auch Opfer und Täter.

Was ich oft beobachte ist, dass Tanzpädagogen für ein zu geringes Honorar arbeiten, weil sie denken: ”Naja es wird halt NICHT mehr bezahlt, das ist halt so… ich weiß zwar NICHT wie ich meine Bananen und meine Miete zahlen soll, aber ich darf tun was ich liebe…“

Und genau das ist das Dilemma! Ich habe dazu ein paar vielleicht radikale und ehrliche Gedanken die ich heute mit Dir teilen möchte:

Wenn ich mich als einen Tropfen im Ozean sehen würde, dann wäre ich mit dem ganzen Ozean verbunden. Das bedeutet was ich tue oder widerspruchslos hinnehme, hat einen Impact auf den ganzen Ozean; in unserem Fall die ganze Tanzpädagogenlandschaft.

Wenn ich solch ein Jobangebot annehmen würde, dann würde ich die ganze Tanzpädagogenlandschaft schwächen! Denn für solch ein niedriges Honorar zu arbeiten nährt genau den gesellschaftlichen Glaubenssatz, dass die Kultur, Kunst und Bildung vermeintlich NICHTS wert ist.

Wenn wir ehrlich sind darfst Du am Monatsanfang Deine Miete überweisen, Du gehst in den Supermarkt und kaufst Dein Essen, Du möchtest einmal in den Urlaub fahren, ins Kino gehen… . KEINER kann von solch einem oben genannten Honorar entspannt leben.

Wer meines Erachtens für solch ein Honorar arbeitet, ist NICHT das Opfer, sondern macht sich aus meiner Perspektive zum Täter für die ganze Szene.

So it’s up to you! Du kannst immer selbstverANTWORTlich entscheiden ob Du zu so einem Angebot Ja oder NEIN sagst; denn sobald sich bei solch einem Honorar die Bauchgegend zusammenzieht, wird das für die gemeinsame Zusammenarbeit kein expandierendes Gefühl kreieren – im emotionalen, sowie im finanziellen Sinne. Wenn Du aus der Angst vor Mangel solch ein Angebot annimmst, wirst Du mehr und mehr die eigene Kultur des Mangels kreieren, anstatt wahrhaftige Fülle in Dein Leben einzuladen. Ich sage sehr oft:

Alles hat seinen Preis

Es gibt dieses tolle Lebensweisheit: ”Man bekommt, wofür man bezahlt.“ Das bedeutet wenn Du Dich unterbezahlen lässt, zahlst Du den Preis mit Deiner Lebensqualität. Dieses universelle Lebensgesetz geht natürlich in beide Richtungen – wenn Du NICHT bezahlen möchtest, darfst Du Dich fragen wer bezahlt jetzt den Preis?

Ganz zum Schluss lade ich Dich noch auf ein kurzes Gedankenexperiment ein:

Stell Dir vor, dass KEINER für zu solch einem Honorarsatz unterrichten würde, was würde dann passieren?

Genau… es würde ein Umdenken stattfinden! Denn Stundensätze für Freiberufler berechnen sich eben ein wenig anders als die eines Angestellten! Ich habe um Dir eine Orientierung zu geben eine tolle Präsentation von Verdi gefunden, die ich gerne mit Dir teilen möchte – dort kannst Du zahlreiche Beispielrechnungen sehen, wie sich Honorare berechnen – als Freiberufler und Angestellter, was der Unterschied ist und wie adäquate Stundensätze für Menschen in kreativpädagogischen Berufen aussehen sollten. Du kannst sie Dir hier ansehen¹.

Veränderung tritt halt nur ein, wenn NIEMAND mehr für diese kuriosen Honorare seine Zeit verschenkt. Denn Du weißt ja jetzt schon, dass wenn nur einer für dieses Honorar arbeitet… er sich zum Täter für die ganze Szene macht.

 

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¹ Quelle: Basishonorare für selbstständige Kreative, Stand 2022 – www.kunst-kultur-verdi.de Onlineabruf am 9.12.2023

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