Vor vielen Jahren hat der ”Tanz Dein Leben Wild & Frech“-Blog das Licht der Welt erblickt – und seither hat er viele große Menschen zum Nachdenken und Schmunzeln gebracht. Er hat inspiriert – für den Kindertanzunterricht, das Tanzbusiness und manchmal auch für das Leben selbst.
Der hundertste Artikel hat bereits das Licht der Welt erblickt… und weil das ein kleiner Meilenstein ist, habe ich meine Leserinnen der ”Tanze Wild & Frech Post“ gefragt, was sie gerade beWEGt. Und daraus ist eine kleine Themenreise entstanden – voller Fragen, Impulse, Wünsche und Inspiration. Und Du bist eingeladen, mit mir durch diese hindurch zu tanzen.
Lass uns also gleich loslegen – mit einer Frage, die ich sehr zeitkritisch fand:
Wie kann man die Eltern und Kinder noch besser überzeugen, welchen Wert der Tanz jenseits von Youtube und TikTok nachmachen darstellt?
… so habe ich mir ein paar Gedanken gemacht die gerne an dieser Stelle mit Dir teilen möchte.
Auf eine Bloody Mary
Nein es gibt nun keinen Cocktail… sondern ich nehme Dich mit in meinen Unterricht. Es war ein Donnerstag Nachmittag in meinem Modern-Jazz-Kurs. Die Kids im Alter der 1. bis 3. Klasse tanzten durch den Raum… wir improvisierten, probierten rhythmische Variationen, spielten mit den Ebenen und übten einen neuen Schritt den Pivot Turn. Auf einmal…
verknotete sich ein Junge, der gerade ein Probestunde machte, seine Beine, kam durcheinander, schaute mich an – und sagte plötzlich:
”Ich will so tanzen!“
Und dann… schmetterte er lautstark ”Bloody Mary“ von Lady Gaga durch den Raum: ”I’m gonna dance, dance, dance with my hands, hands, hands…“
Dazu kamen Bewegungen wie aus dem Monsterkabinett. Die Finger krallten sich, der Körper zuckte unkontrolliert, seine Hände endeten irgendwo am Ellbogen – als hätte Wednesday Addams persönlich Regie geführt.
Ich musste innerlich grinsen – und gleichzeitig war ich betrübt. Denn was ich sah, war ein Kind, das etwas zeigen wollte. Nur: das, was es zeigen wollte, war kein Tanz im künstlerischen Sinn. Es war eine aufgeschnappte Schrittfolge. Ein Moment aus dem Internet – der keine Tiefe, keine Bedeutung, keinen Prozess und kein eigentliches Erleben in sich trug.
Und das ist der Punkt, an dem ich heute einmal gemeinsam mit Dir hinschauen möchte.
TikTok kann inspirieren – aber es ersetzt kein echtes Gegenüber. Kein Feedback. Kein Spüren von Raum, Klang, Korrektur, Emotion, Gruppe… Tanz ist mehr als Imitation – er ist Begegnung.
Im digitalen Raum fehlt etwas Zentrales: Beziehung. Clips vermitteln Momentaufnahmen, aber keinen Prozess. Sie spiegeln nicht zurück, sie geben keine Rückmeldung, sie kennen kein Staunen, kein Innehalten. Doch Tanz braucht all das – um lebendig zu sein. Im echten Tanzraum begegnen wir nicht nur Bewegung, sondern einander. Und genau darin liegt der Unterschied: Wir tanzen miteinander, füreinander und für uns selbst.
Was ist Intrinsischen Motivation?
Vielleicht kennst Du dieses Glitzern in den Augen eines Kindes, wenn es plötzlich selbst etwas möchte. Nicht, weil jemand es belohnt, sondern weil es von innen kommt.
Ich kannte einmal eine Ballettlehrerin für Kinder, die hat den Kindern am Ende der Stunde ein Gummibärchen gegeben – aber nur, wenn sie sich ”benommen“ hatten. Ich fand das wenig förderlich. Nicht nur, weil es schnell zur Bestrafung werden kann – sondern weil es den Fokus verschiebt: Die Kinder kommen nicht wegen des Gummibärchens. Sie kommen doch, um zu tanzen. Das Gummibärchen ist ein Beispiel für extrinsische Motivation: eine äußere Belohnung.
Das Gummibärchen ist wie ein Like unter einem Video: eine kleine äußere Bestätigung und schnell verfolgen. Es sagt wenig über das eigene innere Erleben aus. Und es wirft eine radikal wichtige Frage auf: Mache ich das gerade wirklich für mich – oder um jemandem zu gefallen?
Aber was wir im Tanzunterricht fördern wollen, ist etwas anderes.
Sobald ein Kind innere Freude, den Wunsch zu forschen, zu gestalten, zu tanzen hat, dann ist das intrinsische Motivation. Sie ist wie ein innerer Kompass – sie entsteht nicht durch äußeren Druck oder Belohnung, sondern aus einem tiefen, eigenen Erleben heraus. Kinder, die diese Motivation spüren, lernen nicht nur Schritte – sie wachsen mit jeder Bewegung über sich hinaus, entwickeln Durchhaltevermögen, Selbstvertrauen und ein tiefes Gespür für den eigenen Ausdruck.
Und um ehrlich zu sein, ist sie der Herzschlag eines künstlerischen Unterrichts. Denn nur, wenn ein Kind sich selbst als wirksam erlebt, wenn es sich erlaubt, zu scheitern und dann weiterzumachen, entsteht Entwicklung und Wachstum im Tanz. Nicht durch den Applaus von außen – sondern durch das innere Feuer, das das Kind in sich selbst spürt.
Kinder dürfen im Tanzunterricht nicht nur etwas nachmachen – sie dürfen auch etwas erschaffen. Sie werden nicht zu Kopien – sondern zu Gestaltern!
Jenseits des Hors d’oeuvres schlummern Disziplin, Dranbleiben und die Kunst des Wachsens
Wenn wir auf TikTok oder Instagram etwas sehen, ist es wie ein schneller Appetizer – kunterbunt und kurz. Doch der eigentliche Prozess von Tanz – das Suchen, Spüren, Wiederholen, Wachsen – bleibt unsichtbar. Dabei ist es genau dieser Prozess, der den Tanz – und natürlich auch alle anderen Künste – so kostbar macht.
Diese TikTok-Videos sind wie ein Hors d’oeuvre – sie zeigen eine kleine Leckerei als Ausschnitt und werden oft gemacht, um anderen zu gefallen… für ein Herzchen oder ein Sternchen…
Doch sie lassen keinen Raum für die Entwicklung, den Prozess, den inneren Weg, der entsteht, wenn wir etwas wiederholen und in die Tiefe der Bewegung eintauchen; ein kleines Detail kennenlernen und vielleicht auch das Hadern, dass man sich fühlt wie ein Tausendfüßler der einen neuen Schritt lernt. Zumeist geht es – wenn ich das aus der Brille von Irmgard Bartenieffs Arbeit betrachte – um das Außen, weniger um das Innen.
Wenn Kinder nur diese Art und Weise von Tanz sehen, dann glauben sie oft: ”Das ist Tanz.“ Doch der Tanz lebt von so viel mehr:
Tanz ist mehr als Bewegung – er ist ein Feld, in dem kleine und große Menschen über sich hinauswachsen können. Und wenn Kinder nur TikTok-Tanzclips kennen, glauben sie, das sei alles, was Tanz sein kann – und verpassen die Tiefe, das Eigene, das Wesentliche. Und dafür braucht es auch etwas, das in der heutigen schnelllebigen Zeit oft verloren geht: Disziplin.
Bei den sozialen Medien soll es schnell gehen. Doch künstlerischer Tanz lebt vom Dranbleiben, vom Hadern, vom Verfeinern. All das braucht Zeit. Und genau darin liegt der Unterschied: Wer tanzt, um zu werden, und nicht nur, um zu wirken, lernt etwas fürs Leben.
Sämtliche Popstars, Künstler, Spitzensportler – sie alle haben etwas gemeinsam: Disziplin und Fleiß. Sie wären nicht dort, wo sie heute stehen, weil sie nur Spaß hatten – sondern weil sie drangeblieben sind. Auch an einem schlechten Tag. Auch wenn es ihnen schwer fiel – auch wenn es keinen Applaus gab.
Mein alter Ballettlehrer sagte oft mit knallrotem Kopf: ”Ein Tendu kannst Du Dir nicht im KaDeWe kaufen.“ Für alle, die noch nie in Berlin waren: Das ist das beste Kaufhaus am Platz – das Kaufhaus des Westens. Was er damit meinte:
Man kann sich Fähigkeiten nicht im Supermarkt kaufen, sondern muss sie sich erarbeiten – mit Liebe zum Detail, mit Wiederholung, mit Hingabe.
Diese tiefe Hingabe, die Liebe zum Detail, die Freude an der Wiederholung – sie sind der beste Nährboden für künstlerischen Wachstum.
Auch im professionellen Bereich des Videoclip-Dancing gibt es wunderbare Tänzer – aber was dabei oft vergessen wird: Auch sie haben in der Regel eine jahrelange künstlerische Ausbildung genossen.
Wenn wir uns die Sozialen Medien anschauen, geht es oft nur um den schnellen Spaß… und wenn dieser Spaß nachlässt, geht es zackedizack – weiter zum nächsten Clip.
Aber das Leben – und der Tanz – braucht mehr. Tief empfundene Freude. Die ist auch da, an einem schlechten Tag, bei einer Durststrecke… Denn wenn wir nur tun, was uns in diesem Moment Spaß macht – dann verpassen wir vielleicht das, was uns wirklich erfüllt.
Was Kinder im Tanzunterricht erleben – jenseits des schnellen Klicks
Letztens war ein kleines Mädchen zum allerersten Mal ganz alleine im Tanzunterricht – ohne Mama. Das war ein ganz besondereres Ereignis, alleine den Raum zu betreten und dann allein durch den Raum zu tanzen. Zuerst war sie noch ein wenig vorsichtig doch dann wirbelte sie wie ein Herbstblatt im Wind, ganz frei und glücklich. Während sie tanzte strahlten ihre Augen und sie schaute mich an und war in dieser Tanzstunde eine Etage größer geworden.
Dasselbe Mädchen hatte die Woche davor einige frustrierende Erlebnisse beim Eltern-Kind-Kurs… denn wir tanzten mit einem Luftballon. Die Improviationsaufgabe war: der Luftballon soll jedes Mal mit einem anderen Körperteil in die Luft tanzen, zum Beispiel: der Ellbogen, das Knie, die Finger, der Kopf usw.
Und das klappte so gar nicht! Sie war richtig traurig… doch ich erklärte ihr, dass wir Fähigkeiten üben müssen und wir jetzt auf einer Holperstraße fahren, wenn wir etwas neu lernen… je mehr wir etwas üben um so angenehmer wird es, weil die Straße nicht mehr so holperig ist.
Sie kam dann in die Tanzstunde und sagte mir: Ich habe die ganze Woche zu Hause geübt!
Und ich fragte: ”Ist es leichter geworden?“
Ein großes Nicken und ein Leuchten in den Augen machte sich breit – und da ist sie, die stille Freude nach der zwanzigsten Wiederholung – sobald es endlich klappt und das sind Momente die bedeutsam sind.
Vielleicht ist das die eigentliche Einladung: Tanz nicht für Likes. Tanz für Dich.
Praktische Gesprächsimpulse für Elterngespräche:
- ”Wissen Sie, bei mir im Tanzunterricht geht es nicht nur darum, Schritte zu lernen – sondern sich selbst zu erleben, und das mit dem Ziel, den persönlichen Ausdruck auch in eine künstlerische Form zu bringen.“
- ”Tanzen zu lernen ist wie eine Sprache zu lernen – nur eben nicht mit Wörtern, sondern mit dem ganzen Körper. Jede Bewegung ist wie ein Satz in einer Choreographie – und im Unterricht geht es nicht nur um Ausdruck, sondern auch darum, künstlerisches Handwerk und Tanztechnik zu vermitteln. So lernt jedes Kind, sich auf seine ganz eigene Art und Weise auszudrücken – so wie jede Stimme eine einzigartige Klangfarbe hat.“
- ”Während Tanzvideos im Internet oft nur zum Nachmachen einladen, lernt Ihr Kind hier etwas ganz anderes: Geduld, die Liebe zum Detail. Es entwickelt ein gesundes Körpergefühl, erfährt kreative Impulse, erarbeitet sich Tanztechnik und stärkt sein Körperbewusstsein. Es lernt, Feedback umzusetzen – und in einer Gruppe miteinander zu kooperieren.“
In diesem Sinne
Deine Stefi
PS:
Tanz kann so viel mehr sein als Bewegung im Takt. Wenn wir Kindern Räume schenken, in denen sie wachsen, stolpern und strahlen dürfen – dann tanzen sie nicht nur durch den Raum, sondern auch ein Stück mehr in ihr eigenes Leben hinein.
Vielleicht spürst Du beim Lesen: Ja, genau so möchte ich unterrichten. Dann könnte meine Tanzpädagogik Ausbildung für Kinder & Kindertanz genau Dein nächster Schritt sein…
PPS:
Wusstest Du, dass es in der Tradition der Inkas nur ein einziges Gesetz gibt? Es heißt Ayni – das Prinzip der Gegenseitigkeit.
Vielleicht wurde in Dir etwas berührt, hat Dich inspiriert, Dir neues Wissen geschenkt oder Dich bestärkt?
Dann darf etwas zurückfließen – auf Deine ganz eigene Art und Weise.
Vielleicht sind es ein paar Worte hier unten in den Kommentaren.
Vielleicht kennst Du jemanden, der davon profitieren kann, dann teile ihn gerne mit Deinen Freunden oder Kollegen.
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