Diese Tage schaute mich eine Tanzmama an und fragte:
”Stefi, sag mal kann mein Sohn auch zum Tanzen kommen? Er fragt mich immer wieder, warum er denn nicht mit zum Tanzen mitkommen darf…“
Ich schaute sie an und sagte:
”Na klar ist er herzlich willkommen, Tanzen ist für alle Menschen da – egal ob groß oder klein, Junge oder Mädchen.“
Dann habe ich einen Moment innegehalten, denn ich weiß, dass es eben doch nicht so einfach ist…
Leider ist es nach wie vor so, dass in der Regel weniger Jungs als Mädchen zum Tanzen kommen – und das hat, meiner Meinung nach, viel mit gesellschaftlichen Bildern zu tun.
Vor dem Zweiten Weltkrieg haben in Deutschland viele Männer getanzt, besonders im Bereich des Volkstanzes. Wir hatten eine große Tanzkultur, wo gemeinsam das Tanzbein geschwungen worden ist und es was für Männer ganz selbstverständlich zu tanzen.
Nach dem Krieg sah das anders aus. Vielleicht lag es daran dass Hitler die Volkstänze instrumentalisiert hatte, wer weiß?
In vielen anderen Kulturen hingegen ist Tanz tief verwurzelt – auch bei den Männern. In Brasilien zum Beispiel verschmilzt Capoeira Kampf und Tanz auf eine unglaublich faszinierende Weise, in Russland gilt klassisches Ballett als höchste Kunstform – auch für Männer, es ist schwieriger als ein Instrument zu lernen. In arabischen Ländern tanzen Männer gemeinsam Dabke – ein enorm kraftvoller und rhythmischer Tanz, der geprägt ist von viel Stolz… und auch der deutsche Schuhplattler ist ein Beispiel für männlich geprägte Bewegungskultur. Der Ausdruckstanz der 1920er-Jahre – mit bahnbrechenden Persönlichkeiten wie Rudolf von Laban und Harald Kreutzberg – feierte den männlichen Körper im künstlerischen Raum.
Also… Tanzen war nie ”nur“ Mädchensache – es ist tief verwurzelt in vielen Kulturen und Traditionen.
Die Mutter nickte, hörte mir aufmerksam zu – sie selbst kommt nicht aus Deutschland und kennt es eben auch anders!
Lass uns ein wenig tiefer eintauchen …
Ich möchte Dir heute einen kleinen Einblick geben in einen Text, den ich einmal geschrieben habe. Er durfte damals nicht abgedruckt werden – vielleicht war er zu ehrlich, zu unbequem. Doch gerade deshalb möchte ich ihn mit Dir teilen:
vorURTEILE
”Das Spiel mit dem Antrieb ist ein Zugang den Kinder sehr lieben und immer stark bei der Arbeit mit Kindern einfließen sollte, es ist eine besondere Spielwiese um sich mit dem Körper auszudrücken. Antrieb ist ein altes Wort und wird heute manchmal auch mit Energie gleichgesetzt. Wir haben insgesamt 4 Antriebe: Gewicht, Zeit, Fluss und Raum, die zwei Pole haben.
Oft werden beim Tanzen ja Vorurteile laut, dass das nur etwas für Mädchen sei. Doch in uns allen schlummern all diese Antriebe und so ist das Spiel mit Polaritäten gerade besonders wertvoll für Jungs und Mädchen und aus meiner Erfahrung heraus, sind sie Jungs beim Tanzen immer ganz vorne mit dabei, sobald sie damit aufwachsen. Ich träume ja noch immer davon dass der Tanz etwas ganz natürliches wird mit dem Kinder aufwachsen.
Dem Antrieb Gewicht zum Beispiel wird in der Laban-Bewegungsanalyse dem Thema Spüren zugeordnet. Spüren ist ein ganz physischer Prozess: wie ich mein eigenes Gewicht spüre und/oder einsetze. Es hat viel damit zu tun, mein Bauchgefühl wahrzunehmen und dann meine Willenskraft für meine Absicht einzusetzen.
Der Antrieb Gewicht wird in zwei Bereiche unterteilt: leichtes Gewicht und kraftvolles Gewicht.
Sobald wir uns mit leichtem Gewicht bewegen, tanzen oder leben, sind wir fein, zart und leicht – ich könnte fast sagen, wir bewegen uns elfengleich, sanftmütig zur Umwelt, wie eine Feder.
Sobald wir uns mit kraftvollem Gewicht bewegen, tanzen oder leben, sind wir entschlossen, mit starker Willenskraft. Wir engagieren unser Gewicht und setzen es dementsprechend ein, um etwas zu erreichen.
Doch wir pendeln zwischen diesen Polen hin und her – wie ein innerer Tanz. Jeder Mensch hat dabei eine Vorliebe, die dem eigenen Wesen entspricht. In uns allen schlummern all diese Antriebe – und so ist das Spiel mit Polaritäten gerade besonders wertvoll. Für Jungs wie für Mädchen.
Denn die Fragen die wir uns stellen dürfen, könnten lauten:
- Was ist eigentlich ”männlich“?
- Ist es Kraft? Klarheit? Wildheit?
- Oder ist es auch Sanftheit? Präsenz? Verbindung?
Im Tanz darf all das sein.
Kinder haben das längst verstanden.
Nur wir Erwachsenen haben das manchmal vergessen – und dürfen uns erinnern.
Denn Tanz ist kein Entweder-Oder.
Tanz ist Leben in beWEGung.
Wir dürfen über diese vorURTEILE sprechen. Oder besser gesagt: Es ist bedeutsam, dass wir das tun. Denn nur wenn wir sie sichtbar machen, können wir neue innere Räume schaffen – für unsere Kinder, gesellschaftlich und für uns selbst.
Tanzen ist keine Frage des Geschlechts. Es ist eine Form des Ausdrucks, eine Sprache und für viele Menschen eine Kraftquelle. Kinder verstehen das intuitiv – wenn wir sie lassen.
Ich träume von Tanzräumen, in denen Kinder einfach tanzen dürfen. Wild und Frech. Zart und Leise.
Ich träume von einer Welt, in der ein Junge nicht fragt, ob er tanzen darf – sondern einfach mittanzt, weil es selbstverständlich ist.
Ich träume davon, dass Tanzen wieder wird, was es immer war: Ausdruck von menschSEIN.
Möchtest Du lernen, wie Du Tanzräume für alle Kinder – jenseits von Klischees – gestalten kannst?
In meiner Ausbildung zur Tanzpädagogin für Kinder und Kindertanz lernst Du, wie Du Kinder in ihrer Einzigartigkeit bestärkst, einen Unterricht ohne Prinzessinnenklischees gestaltest und die Kunst Geschichten mit dem Körper zu erzählen für alle Kinder öffnest.
Sei im kommenden Jahrgang mit dabei – ich freue mich auf Dich.
Hier erfährst Du mehr über meine Ausbildung zur Tanzpädagogin für Kinder und Kindertanz
In diesem Sinne: Tanz ist für alle da – und wir brauchen Tanzpädagoginnen für Kinder, die das vorLEBEN. ✨
Danke fürs reinlesen. Wir lesen, hören oder sehen uns
Deine Stefi
PS:
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PPS – ein Filmtipp:
Billy Elliot* erzählt die berührende Geschichte eines Jungen, der in einer Welt voller traditioneller Erwartungen und Vorstellungen über Geschlechterrollen seiner Leidenschaft für das Ballett nachgeht. Statt sich den gesellschaftlichen Vorurteilen zu beugen, folgt Billy seinem inneren Ruf und entdeckt im Tanz eine Quelle von Ausdruck und Freiheit.
Billys Geschichte ist eine kraftvolle Erinnerung daran, dass Tanz für alle Menschen, unabhängig von Geschlecht oder gesellschaftlichen Normen, eine Möglichkeit zur Selbstverwirklichung ist und wie wir unserem inneren Ruf folgen können.
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